Du und ich am Rand?
- Corina Zahner
- 29. Juni
- 3 Min. Lesezeit
Viele haben diese Bilder schon gesehen - doch die Geschichte dahinter habe ich nur mit den Wenigsten geteilt. Es war ein Teil meiner Abschlussarbeit von vor zwei Jahren, in der wir uns mit dem Thema "Am Rand" auseinandersetzen sollten. Gefordert wurde eine Bildserie mit entsprechender Interpretation zum obengenannten Thema.
Mein Ziel wurde es, die Betrachter mit dieser Bildserie zu berühren & sie zum Nachdenken anzuregen. Jeder und jede interpretiert etwas anderes – und das ist auch richtig. Schliesslich denkt auch keiner wie ein anderer. Wieso sollte also auch jeder das Gleiche in meinen Fotos sehen?
Ich finde es schade, dass diese Worte und die Bilder in meinem Computer - wie sagt man so schön - vor sich hin gammeln. In diese Arbeit habe ich sehr viel Zeit und Emotionen gesteckt. Auch jetzt, wo ich all diese Worte niederschreibe, werden meine Augen feucht und mein Herz schlägt ein bisschen schneller. Es ist ein absolutes Herzensprojekt & es erfüllt mich mit Stolz, diese Zeilen nun öffentlich teilen zu können. Alles ist vergänglich & trotzem möchte ich, dass das hier niemals in Vergessenheit gerät.
Lasst euch gerne fallen. Fühlt mit. Denkt nach. Und vorallem - habt Freude beim Lesen. ❤
Am Rand – viele assoziieren negative Gedanken mit diesem Ausdruck. Auch ich verspüre mit diesen Begriffen keine Glücksgefühle. Es beschreibt einen Zustand - eine bestimmte Situation.
Klaus Petrus beschreibt in seinem Werk Geschichten von Menschen Am Rand der Gesellschaft, von Getriebenen, Eigensinnigen, Abgehängten, Unsichtbaren eindeutig, was wir unter dem Ausdruck «Am Rand» verstehen:
«Am Rand. Eigentlich mag ich diesen Ausdruck nicht. Wer am Rand einer Gesellschaft ist und wer nicht bestimmen seit jeher die, die «in der Mitte» sind. Und doch wäre es sonderbar zu bestreiten, dass es sie gibt: die am Abgrund stehen, die Abgehängten und Verlorenen. Es gibt sie schon deshalb, weil wir sie brauchen. Eine Gesellschaft will nämlich wissen, wo oben und wo unten ist.»
Genau dieser letzte Satz hat mich bei meiner Arbeit sehr beschäftigt & inspiriert. Den Grund erläutere ich gerne nachfolgend:
Mein Grossvater, geboren im Jahr 1930, lebt am Rand. Am Rande seines Lebens. Oder doch mittendrin? Wer bestimmt, dass genau er und nicht du oder ich am Rande des Lebens leben? Vielleicht sind wir, unsere Liebsten, unsere Freunde oder Feinde jene, die näher am Rand des Lebens sind als er?
Niemand weiss, was morgen passiert. Trotzdem brauchen wir die Einordnung, dass ein 95ig jähriger, alter Mann näher am Rand des Lebens ist als eine junge Frau in ihren Dreissigern. Wie Klaus Petrus in seiner Reportage beschrieben hat: «Die Gesellschaft will nämlich wissen, wo oben und wo unten ist.»
Mir ist klar - grundsätzlich bestimmt immer eine höhere Macht, wann die letzte Sekunde geschlagen hat. Man kann also wagen zu sagen, dass jeder von uns am Rande seines Lebens lebt. Keiner weiss das so genau. Tage und Nächte vergehen. Wir sehen und erleben viel. Ein Augenblick jagt den nächsten. Schneller. Länger. Höher.
Und ja, manchmal vergessen wir zu leben.
Ich möchte mit diesem Beitrag zeigen, dass es schön ist, wenn man alt werden darf. Es ist schön, voller Falten und alten Narben zu sein. Es ist wunderbar, wenn man so viel erleben durfte und vom Leben gezeichnet ist. Wir alle dürfen dankerfüllt sein, wenn wir auch erst mit 95 Jahren am Rand des Lebens leben. Wenn wir vieles erlebt und gesehen haben. Wenn wir Kinder, Enkelkinder, Urenkelkinder aufwachsen sehen dürfen. Wenn wir die Liebe unseres Lebens ein Leben lang an unserer Seite haben dürfen. Wenn wir gesund sein dürfen. Wenn wir einfach alt sein dürfen.
Die Bildserie soll einer Poesie gleichen. Sie soll Menschen berühren, sie zum Nachdenken & Träumen anregen.
Jedes Mal wenn ich diese Arbeit lese, lass ich mich bewusst in diese Materie fallen, und all diese Worte zeigen mir immer wieder – vielleicht sind wir näher am Rande unseres Lebens als wir dachten. Also los - Lebe. Lebe, und denke nicht so viel. Lebe, als gäbe es kein Morgen.
Lebe, als wärst du am Rand vom Leben. ❤
Nun bin ich gespannt - was siehst du in den Bildern? Fühlst du es auch? Berühren dich die Worte und/oder die Bilder? Willst du etwas loswerden? Ich freue mich auf jeden Kommentar und jede Nachricht!
Danggä vu Härze fürs’ Läse und Teilä!
Huufä gfreuti Momänt und alles Liäbi ❤
Corina
En sehr berührende Biitrag wo zum nachdenke und s Lebe meh wertschätze leitet. Isch wieder en Mega Biitrag. Witer so
Wiä wunderschüü, ahregend und augäöffnend.♡ dr Satz "Man kann also wagen zu sagen, dass jeder von uns am Rande seines Lebens lebt." het mich sehr fescht berüährt. Tollä Text, tolli Bilder.♡