Lieber echt als perfekt.
- Corina Zahner

- 27. Okt.
- 4 Min. Lesezeit
Ich habe in letzter Zeit oft darüber nachgedacht, wie sehr uns dieser Drang nach Perfektion geprägt hat. Wie selbstverständlich es geworden ist, immer „funktionieren“ zu müssen, immer zu lächeln – egal, wie es einem gerade geht. Wie stark der Wunsch danach ist, alles unter Kontrolle zu haben. Fehlerlos, souverän, angepasst.
Ich ertappe mich selbst manchmal dabei. Wie ich überlege, ob ein Foto „gut genug“ ist. Ob ich zu viel zeige, zu wenig zeige, ob ich vielleicht etwas poste, das nicht in dieses achso perfekte Raster passt. Und dann spüre ich diesen leisen Druck, der flüstert: „Mach’s lieber perfekt – sonst wirst du nicht ernst genommen.“
Aber was ist eigentlich „perfekt“? Und wer bestimmt das überhaupt?
Wir leben in einer Welt, in der vieles nach aussen glänzt. In der wir gelernt haben, dass Fehler Schwäche bedeuten und Emotionen zu viel sein könnten. Dass man lieber ein schönes Bild postet als einen ehrlichen Moment. Und dass man sich nur zeigen darf, wenn alles gerade „läuft“.
Ich merke das immer wieder – nicht nur online, sondern auch im echten Leben. Wie Menschen sich lieber perfekt präsentieren, als ehrlich zu sein. Wie schnell gelächelt wird, während innerlich alles brennt. Wie wichtig es geworden ist, dazuzugehören – auch wenn man sich dabei selbst ein bisschen verliert.
Instagram befeuert das natürlich. Diese ständige Vergleichbarkeit, dieses subtile „Schau, wie glücklich und erfolgreich ich bin.“ Und trotzdem weiss ich: Auf einem Bild spürt man, ob etwas echt ist. Man sieht es in den Augen, in der Haltung, im Ausdruck. Man spürt, wenn jemand einfach ist – und nicht versucht, etwas zu sein.
Als mein Mann und ich geheiratet haben, haben wir uns bewusst gegen das Perfekte entschieden. Kein grosses Fest, keine gestellten Fotos, keine perfekt inszenierten Momente – nur wir zwei. Ehrlich. Frei. Ohne Erwartungen von aussen.
Diese Entscheidung erinnert mich immer wieder daran, dass das Wahre nie im Perfekten liegt, sondern im Gefühl. In dem Moment, in dem du einfach du selbst bist – ohne Maske, ohne Erwartung. Vielleicht war genau das der Grund, warum sich alles so leicht angefühlt hat: weil es echt war. Weil nichts gestellt war, kein Moment geplant, kein Lächeln für die Kamera. Nur zwei Menschen, die genau wussten, was sie fühlten.
Wenn ich mir diese Bilder heute ansehe, sehe ich nicht die perfekte Pose oder das perfekte Licht. Ich sehe uns – so, wie wir sind. Und das ist so viel mehr wert.
Fotos: jaypeg photo&film - https://www.jaypeg.ch/
Vielleicht kennst du das Gefühl, wenn du einfach du selbst bist – und genau das manchen Menschen zu viel ist. Ich bin ein feinfühliger Mensch. Ich nehme viel wahr, auch das, was unausgesprochen bleibt. Ich spüre, wenn jemand sich selbst beweisen will, indem er andere kleiner macht.
Ich habe gelernt, dass viele Menschen mit Echtheit nicht gut umgehen können. Vielleicht, weil sie sich selbst darin gespiegelt sehen. Weil sie merken, dass sie sich lieber hinter Perfektion verstecken, statt sich verletzlich zu zeigen.
Ich werde manchmal übertönt – einfach, weil ich ruhig bin. Weil ich nicht laut bin. Weil ich nicht ständig nach Aufmerksamkeit suche. Weil ich Dinge fühle, statt sie zu inszenieren.
Manche Menschen machen sich gross – vielleicht, um ihre eigene Unsicherheit zu verbergen. Und ja, manchmal stehe ich daneben und frage mich, warum ich mich kleiner fühlen soll, nur weil jemand anderes lauter ist.
Aber weisst du was? Ich habe aufgehört, dagegen anzukämpfen. Ich muss nicht schreien, um gehört zu werden. Ich muss nicht perfekt sein, um echt zu sein. Ich darf einfach ich sein – leise, ehrlich, sensibel. Mit allem, was dazugehört.
Echt zu sein heisst, sich zu zeigen – auch mit den Teilen, die man sonst lieber versteckt. Mit den Widersprüchen, mit den Unsicherheiten, mit dem Chaos, das manchmal im Inneren herrscht. Es bedeutet, nicht jedem gefallen zu müssen. Sich nicht ständig zu vergleichen. Sich selbst die Erlaubnis zu geben, unperfekt zu sein – und trotzdem genug.
Ich glaube, Echtheit ist kein Trend. Sie ist eine Entscheidung. Jeden Tag aufs Neue.
Vielleicht liest du diese Zeilen und spürst ein inneres Unwohlsein. Vielleicht fühlst du dich ertappt. Oder vielleicht einfach berührt. Dann nimm dir einen Moment. Geh zum Spiegel. Schau dir selbst in die Augen. Und frag dich ehrlich: Bin das wirklich ich? Oder versuche ich, jemand zu sein, der besser in diese Gesellschaft oder in mein jetziges Umfeld passt?
Wenn du merkst, dass du dich manchmal verstellst – sei liebevoll mit dir. Wir alle tun das. Aber vielleicht darfst du dich heute daran erinnern, dass du nichts beweisen musst. Dass du gut bist – auch ohne Maske, ohne Filter, ohne Perfektion.
Hab den Mut, echt zu sein. Denn genau dort, wo du dich traust, dich selbst zu zeigen, beginnt wahre Schönheit.
Ich wünsche mir eine Welt, in der wir wieder mutig genug sind, echt zu sein. In der wir aufhören, uns hinter Perfektion zu verstecken. In der wir Fehler machen dürfen, ohne uns zu schämen. In der wir anderen ihren Raum lassen, ohne uns selbst kleiner zu machen.
Perfektion beeindruckt vielleicht. Aber Echtheit – sie berührt. Sie bleibt. Sie heilt.
Ich will nicht perfekt sein. Ich will echt sein. Mit allem, was dazugehört. Und wenn ich dadurch ein bisschen anders bin – dann bin ich lieber anders, als unecht. Denn am Ende zählt nicht, ob jemand dich für perfekt hält. Sondern ob du dich selbst erkennst, wenn du in den Spiegel schaust.
Dini
Corina ❤














Wie immer so schön gschriebe und es regt zum nachdenke a.❤️
So Wort sind ideal zum wiedermal us de "perfekte" Blase use z cho wo mer immer uf Instagram und so gseht.🙈